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Eiszeit sagt „Hallo“

     DAS TEGELER FLIESS

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Still ist es hier. Kein Autolärm ist zu hören, und die Hektik der Großstadt ist ganz weit weg. Ein Schwan bahnt sich
seinen Weg durch das kleine Gewässer. Vorbei an einer großen Eiche, verschwindet er im dichten Schilf. Das Tegeler Fließ ist ein ganz besonderer Ort Berlins und schon tausende Jahre alt. Es handelt sich um eine eiszeitliche Abflussrinne, die sich von Mühlenbeck durch den Berliner Norden auf 17,3 Kilometern in Richtung des großen Berliner Urstromtals schlängelt.
Es durchfließt die Reinickendorfer Ortsteile Lübars, Waidmannslust, Hermsdorf und Tegel und mündet dann in den Tegeler See. Das Fließ ist ein besonderes Kleinod, das neben Biber und Fischotter auch Eisvogel, Schwarzmilan und Schwarzspecht sowie Knoblauchkröte, Moorfrosch, Zauneidechse und Zwergfledermaus eine Heimat bietet.
Das Fließ selbst zeigt sich als Wald- oder Wiesenbach samt Hermsdorfer See mit unterschiedlichen Fließstrecken und Altarmen. Es ist eine einzigartige Landschaft, die sich immerzu verändert. Der hochkomplexe Lebensraum umfasst Quellen und Quellbäche, Quellund Niedermoore, Trockenhänge, Nass-, Feucht- und Frischwiesen, naturnahe Erlen- und Grauweidenbrüche, Teiche, Seen und Verlandungszonen.
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Das Gebiet steht unter einem besonderen Schutz, vor allem, seit es Teil des Natura 2000-Gebietes geworden ist. Die im Jahr 2000 verabschiedete Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet alle Mitglieder der Europäischen Union dazu, ihre Gewässer in einen „guten ökologischen und chemischen Zustand“ zu versetzen, und das soll durch Renaturierung, Reduzierung von Schadstoffeinträgen sowie durch nachhaltige Bewirtschaftung der Einzugsgebiete erreicht werden. Zudem wurde das gesamte Fließtal als so genanntes FFH-Gebiet eingestuft.
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Es gilt als schutzwürdig gemäß der Flora-Fauna-Richtlinie der EU. Im Berliner Teil finden sich zwölf Lebensraumtypen und sechs Tierarten, die
nach der FFH-Richtlinie unter Schutz stehen, außerdem neun Arten der EU-Vogelschutz-Richtlinie – für eine Millionenstadt ist das sehr bemerkenswert. Wer sich etwas Zeit nimmt, kann auf einem Spaziergang das eine oder andere Tier entdecken. Die Wanderwege sind den Windungen des Gewässers angepasst und führen teils auf Stegen wie dem Eichwerder Steg und Brücken über Feuchtwiesen und Sumpflandschaften.

Wer von Tegel in Richtung Waidmannslust spazieren geht, kommt früher oder später auch unweigerlich an den großen schwarzen Wasserbüffeln vorbei, die hier in den Sommermonaten fleißig rund 25 Hektar des Tegeler Fließes begrasen. Dies ist auch der Hauptgrund, warum sie Jahr für Jahr von Besitzer Helmut Querhammer aus seinem Stall in Spandau hierhergebracht werden. Sie dienen nämlich als lebendige Rasenmäher. Aufräumen und Abholzen ist Gift für dieses sensible Biotop, doch die Art und Weise, wie Wasserbüffel die Flächen bearbeiten, ist rundum positiv.

Mit diesem Naturschutzprojekt vereint das Bezirksamt Reinickendorf mit der Unterstützung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ökologische, ökonomische und soziale und ethische Belange zum Schutz der Artenvielfalt.

Mit der Umsetzung dieses Projekts greift Berlin eines der wichtigsten Themen der heutigen Zeit auf: der alarmierende weltweite Verlust von Arten und Lebensräumen bedroht Lebensgrundlagen der Menschheit und ist irreversibel. Die Beweidung des Fließtals mit Wasserbüffeln wirkt dem entgegen und bedeutet eine Chance für den Erhalt der biologischen
Vielfalt oder sogar einer Erhöhung. Ermöglicht wurde das Projekt durch Fördermittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Und nicht nur die Wasserbüffel freut dieser besondere Ort Natur, sondern auch Spaziergänger und Ausflügler: Vor allem mit Kindern ist der Besuch der Wasserbüffel immer ein ganz großes Erlebnis.


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TIPP

Der besondere Spaziergang oder eine gemütliche Radtour
gegen den Strom: Start ist in Tegel am Waidmannsluster
Damm. Ein Weg östlich der Autobahn A111 führt direkt zum
Fließwanderweg. Bis nach Lübars sind es rund sechs
Kilometer. Wer weiter wandern möchte, biegt in Richtung
Glienicke und Schildow auf die Holzbohlenbrücke ab und
läuft bis zum idyllischen Köppchensee.